Chronik

Im Mai 1950 wurde der aus Oberschlesien stammende Kapellmeister Kurt Prokscha als Städtischer Musikdirektor nach Bad Buchau berufen. Er übernahm dort die Leitung der Stadtkapelle und des gemischten Chores „Liederkranz“. Mit diesem Chor und aus der Gegend stammenden Solisten begann er alsbald mit der Einstudierung der Operette „Der Vetter aus Dingsda“, die dann auch im Herbst des gleichen Jahres unter seiner Leitung und Regie zur Aufführung gelangte. Als Orchester hatte Prokscha Streicher und Bläser aus Buchau und den umliegenden Städten und Gemeinden zusammengeholt.

Nach der erfolgreichen Aufführung und aufgrund der guten musikalischen Zusammenarbeit entschloß man sich, in dieser überörtlichen Besetzung zusammenzubleiben und weitere Mitglieder, vor allem auch begabte Schüler, für das neue Orchester zu werben. Hauptaufgabe sollte die Pflege der klassischen Werke der Musikliteratur sein. Das Städteorchester Saulgau – Riedlingen – Mengen – Buchau war geboren, und man machte sich mit wenig Geld, jedoch viel Elan und noch mehr Idealismus an die Einstudierung des ersten Sinfoniekonzertes mit Werken von Händel, Mozart und Beethoven. Den Solopart in Mozarts Klavierkonzert A-dur KV 488 spielte die in Saulgau ansässige Pianistin Margot Pflüger. Konzertmeister war Albert Jung, Musiklehrer in Saulgau. Das Konzert wurde in den vier genannten Städten sowie im Bibliotheksaal in Schussenried gespielt.

Es folgten in bunter Reihe Kurkonzerte mit Opern- und Operettenmelodien, dazwischen Aufführungen in kleinerer Besetzung mit Barockmusik und vor allem arbeitete man immer wieder mit den verschiedenen Chören der einzelnen Städte zusammen. Gerade durch unsere Mitwirkung bei Sängerfesten, Einweihungsfeiern und sonstigen Festlichkeiten waren wir inzwischen auch den „Herren von oben“ bekannt geworden, und auf Antrag wurde uns vom Landkreis Saulgau sowie den vier Städten ein fester Jahreszuschuß bewilligt. Unsere finanzielle Lage wurde dadurch wesentlich verbessert, und wir konnten es wagen, auch einmal nicht „ehrenamtliche“ Solisten zu engagieren.

Zum 10-jährigen Bestehen im Jahr 1960 wurde die Geigerin Susanne Lautenbacher mit dem Mozart-Violinkonzert D-dur verpflichtet. Im September 1963 wurde der Stadt Buchau der Titel „Bad“ verliehen. Die Feier mit dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger wurde vom Städteorchester musikalisch umrahmt. Prof. Heinz Stanske war der Solist des Beethoven-Violinkonzerts im Jahnuar 1965. Im April des gleichen Jahres spielte mit uns Frau Prof. Elly Ney das 3. Klavierkonzert von Beethoven. Weitere Solisten in dieser Zeit waren Alain Bernheim (Klavier), Takaya Urakawa (Violine) sowie der Bratscher Ulrich Koch vom SWF Baden-Baden.

Zum 20-jährigen Bestehen 1970 gab es einen reinen Beethoven-Abend. Prof. Hans Kann aus Wien war der Solist im 5. Klavierkonzert Es-dur. Der junge Pianist Daniel Blumenthal aus den USA spielte mit uns im November 1974 und Robert-Alexander Bohnke im September 1975 jeweils das Klavierkonzert a-moll von Grieg.

Beim Festkonzert anlässlich unseres 30-jährigen Bestehens im Oktober 1980 war Walter Forchert von den Bamberger Symphonikern Solist des Beethoven-Violinkonzerts.

Im März 1982 wurde Herrn Prokscha im Rahmen eines Sinfoniekonzertes in Bad Buchau das Bundesverdientskreuz durch den damaligen Landrat Dr. Wilfried Steuer verliehen.

Im Oktober 1985 war wieder einmal ein hochkarätiger Pianist unser Solist: Prof. Jörg Demus spielte mit uns in zwei Aufführungen das Klavierkonzert a-moll von Robert Schumann. Ein weiterer berühmter Wiener, der Kontrabassist Ludwig Streicher, zeigte uns und dem staunenden Publikum, was man aus so einem großen, unförmigen Instrument herausholen kann. Frau Prof. Shoshana Rudiakov begeisterte im März 1990 mit ihrer Wiedergabe des Klavierkonzerts b-moll von Tschaikowsky, während im Oktober 1990 zum „40-jährigen“ wiederum Prof. Hans Kann als Solist mitwirkte.

Im Mai 1992 erlitt Herr Prokscha einen Unfall, von dem er sich leider nie mehr ganz erholt hat. Das Orchester stand nun vor der Frage „aufhören oder einen neuen Dirigenten suchen?“.
Man entschloß sich für die letztere Version und machte sich auf die Suche. Mit Herrn Ladislaus Vischi wurde ein würdiger Nachfolger gefunden. Das erste Konzert unter seiner Leitung fand im Mai 1993 in Bad Buchau statt. Es war gleichzeitig das Abschiedskonzert für Herrn Prokscha, der das Eingangsstück, den Huldigungsmarsch von Grieg noch selbst dirigierte und danach den Taktstock an seinen Nachfolger überreichte. Es war ein sehr bewegender Moment, wobei viele Tränen sowohl im Orchester als auch im Publikum geflossen sind.

Nach längerem Leiden ist Herr Prokscha am 23. Januar 1998 im Kreiskrankenhaus in Riedlingen verstorben – eine große Ära ging zu Ende!

Bei der Trauerfeier spielte das Städteorchester unter Ladislaus Vischi in großer Besetzung den Bach-Choral „Wenn ich einmal muß scheiden“ und anstelle einer Trauerrede den 2. Satz aus der 7. Sinfonie in A-dur von Beethoven, was sicherlich im Sinne von Herrn Prokscha war.

Unsere anspruchsvollen Konzertprogramme haben im Laufe der Jahre Musiker aus dem ganzen oberschwäbischen Raum angelockt, und so ist aus dem damaligen Städteorchester Saulgau – Riedlingen – Buchau schon beinahe ein Oberschwaben-Orchester geworden. In unseren Reihen musizieren heute auch Mitglieder aus Biberach, Ehingen, Sigmaringen, Weingarten, Friedrichshafen, Ostrach usw.

Mit besonderen Stolz und Genugtuung erfüllt uns auch die Tatsache, daß verschiedene unserer ehemaligen Mitglieder, die als Schüler zu unserem Orchester gekommen sind und hier zum ersten Mal mit den Schwierigkeiten einer Sinfonie zu kämpfen hatten, heute irgendwo im Lande in einem Musikberuf tätig sind oder sich noch teilweise in der Ausbildung dafür befinden. Ganz sicher waren die Jahre im Städteorchester mit entscheidend für ihre Berufswahl.